Alle Eltern finden ihre Kinder zuweilen belastend oder machen sich Sorgen über die Entwicklung ihrer Kinder. Alle Kinder fallen irgendwann einmal problematisch auf. Problematische Verhaltensweisen sind keine Ausnahmen, sondern gehören zur Normalität.
Es gibt jedoch Situationen oder Warnzeichen, bei denen Eltern aufmerksam werden sollten. Insbesondere wenn sich das Verhalten von Kindern oder Jugendlichen mit oder ohne erkennbare Ursache plötzlich ändert, kann dies ein Hinweis auf ein ernst zu nehmendes Problem sein. Durch frühzeitiges Erkennen von problematischen Entwicklungen können Eltern, Erzieher oder Betreuer entgegenwirken, dass Kinder und Jugendliche psychische Probleme entwickeln oder sich bestehende psychische Störungen verstärken.
Die Rubrik "Warnzeichen" informiert über die Erscheinungsform bestimmter Warnzeichen, über deren mögliche Hintergründe und Auswirkungen und fasst Empfehlungen zum Umgang mit den Warnzeichen zusammen.
Wenn sich Eltern Sorgen machen, können sie versuchen ein Problem erst einmal selbst einzuordnen, indem sie sich mit folgenden Fragen befassen:
Seit wann ist mein Kinder verändert?
Viele Auffälligkeiten verschwinden nach ein paar Tagen wieder von ganz alleine. Erst wenn eine Störung über Tage oder gar Wochen fortbesteht, kann dies ein Hinweis auf eine ernste Störung sein.
Ist mit diese Veränderung früher schon einmal aufgefallen?
Manche Probleme treten phasenweise auf. Die betroffenen Kinder sind über einen überschaubaren Zeitraum hinweg etwas verändert, plötzlich sind sie dann aber wieder "ganz die alten". Wiederholen sich solche Phasen oder treten dabei besorgniserregende Veränderungen auf, sollten Sie nicht zögern einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie zu konsultieren. Neben ganz normalen Stimmungstiefs können sich beispielsweise auch behandlungsbedürftige Depressionen dahinter verbergen.
Wie häufig tritt die Störung auf?
Hilfreich für eine erste Beurteilung eines Problems kann es sein, wenn sie relativ genau angeben können, wie oft die Auffälligkeiten auftreten. Manchmal ist es nützlich vorübergehend einen Kalender zu führen, in dem die Phasen eingetragen werden.
Wie stark ist das Problem ausgeprägt?
Bei der Beurteilung der Intensität einer Störung geht es nicht um eine objektive Einstufung, sondern um Ihre persönliche Meinung, bzw. um die Ihrer Kinder. Sie können das Problem auf z.B. einer Skala von 1-10 einordnen, wobei "1" einer geringfügigen und "10" einer maximalen Belastung durch das Problem entspricht.
Ist mit dem Problem ein starker Leidensdruck für Sie oder Ihr Kind verbunden?
Auffälligkeiten oder Störungen können Sie, aber auch Ihr Kind sehr belasten, insbesondere wenn aus diesem Grund niemand mehr etwas mit Ihnen zu tun haben will oder die Bewältigung des Alltages erheblich belastet wird.
Sind Auslöser für die Auffälligkeiten bekannt? Wodurch lassen sie Symptome nach?
Manchmal machen sich Störungen situationsabhängig bemerkbar. Unter Umständen ist ein Problem schon dadurch zu beseitigen, dass man solche Belastungssituationen vorübergehend meidet. In anderen Fällen wissen Eltern ganz genau, was sie tun können, um schwierige Phasen zu durchbrechen. Auch hier kann es für Kinder und Eltern eine enorme Entlastung bringen, wenn man diese Erfahrungen nutzt. Greifen bewährte Maßnahmen allerdings nicht mehr, könnte dies auch daran liegen, dass sie sich abgenutzt haben. Bevor Sie allerdings verzweifeln, weil einfach nichts mehr hilft, sollten Sie sich beraten lassen.
Raten Außenstehende (Verwandte, Erzieher, Lehrer) zu professioneller Unterstützung?
Wenn andere Bezugspersonen Ihres Kindes wie Großeltern, Erzieher im Kindergarten, Lehrer oder Betreuer die Veränderungen ebenfalls bemerken und sich besorgt zeigen, stehen Sie mit Ihren Sorgen nicht mehr alleine da und können sich austauschen. Unter Umständen bemerken diese Menschen auch Auffälligkeiten, die Sie noch gar nicht bemerkt haben. Dies muss Ihnen nicht unangenehmen sein, denn sie beobachten Ihre Kind oft in einer ganz anderen Umgebung als Sie oder sehen es nicht so oft, so dass Veränderungen viel mehr auffallen.
Glauben Sie, dass Sie oder Ihr Kind das Problem selbst lösen können oder brauchen Sie/Ihr Kind Hilfe?
Häufig versuchen Eltern mit ihrem Kind viel zu lange ein Problem zu lösen, bis sie sich Unterstützung suchen. Grade wenn Sie derzeit mit mehreren Belastungen gleichzeitig konfrontiert sind, sollten Sie nicht zu lange damit warten, Hilfe zu suchen. Sie tun weder sich noch Ihrem Kind einen Gefallen damit.
Erster Ansprechpartner kann der Kinder- und Jugendarzt sein, wenn Sie zu dem Ergebnis kommen, dass Sie professionelle Unterstüzung brauchen. Er kann Sie mit Ihrem Kind dann zu einem Kinder- und Jugendpsychiater überweisen.
Quelle: https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugend-psychiatrie/warnzeichen/
Liebe Eltern,
bei Ihrem Kind wurde im Rahmen unserer Untersuchungen eine Lese-Rechtschreibschwäche/-Legasthenie festgestellt. Ergänzend für Sie haben wir im Folgenden nochmals wesentliche Informationen zusammengestellt:
Unter Legasthenie versteht man eine Teilleistungsschwäche, bei der durch teilweise erblich bedingte Besonderheiten der Informationsverarbeitung im zentralen Nervensystem die Voraussetzungen für das Erlernen des Lesens und Rechtschreibens im Vergleich zur Altersgruppe und zur sonstigen Begabungsausstattung des Kindes ungünstiger entwickelt sind. In unterschiedlichem Ausmaß können die Lauterkennungen, die Laut-Buchstabenzuordnung, die Erfassung von Grundelementen des Wortaufbaus sowie das Kurzzeitgedächtnis für Sprache betroffen sein, in selteneren Fällen auch die Formerfassung von Buchstaben. Art und Ausmaß der Beeinträchtigung können von Kind zu Kind sehr verschieden sein. Außerdem beeinflussen zusätzliche Faktoren wie die Fähigkeit zur Aufmerksamkeitssteuerung, die Lernmotivation, die Lernumstände in Schule und Elternhaus sowie nicht zuletzt ausgleichende und entlastende Einflüsse den Schweregrad der Störung und die subjektive Belastung des Kindes.
Die Legasthenie ist nicht das Ergebnis allgemeiner Intelligenzminderung des Kindes. Sie ist auch nicht Folge von Faulheit, falscher elterlicher Erziehung oder eines schlechten Lese-/Rechtschreibunterrichtes. Legasthenie ist keine Frage der Schuld des Kindes, der Eltern oder der Lehrer. Aber das Kind mit Legasthenie ist auf Verständnis und Unterstützung, insbesondere von Eltern und Lehrern, angewiesen. Bei einer ausgeprägten Lesestörung kann die Aneignung von Sachwissen, bei einer Rechtschreibschwäche die schriftliche Wiedergabe des Gelernten, besonders unter Zeitdruck, beeinträchtigt sein. Hierdurch kann, im Zusammenwirken mit psychischen Faktoren mitunter fälschlicherweise der Eindruck einer allgemeinen Lernschwäche entstehen.
Bei einer Legasthenie können zusätzliche Begleit- oder Folgestörungen auftreten und die persönliche Situation sowie die Lernsituation weiter erschweren. Vorbestehend sind häufig Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung festzustellen. Bedingt durch schulische Misserfolge kann es zu einer Störung im Selbstwerterleben kommen, die sich nach außen in Schul- und Versagensängsten, gedrückter Stimmung und anderen depressiven Symptomen äußern kann. Ferner kann es zu Schwierigkeiten bei der sozialen Integration und einer Verweigerungshaltung kommen, die häufig besonders die Hausaufgabensituation belastet. Überdurchschnittlich häufig ist ein Zusammentreffen von Legasthenie- und Hyperaktivitäts-/Aufmerksamkeitsstörung festzustellen.
Als Eltern können Sie Ihr Kind unterstützen in dem Sie Geduld aufbringen, ihm helfen, sich nicht unter Druck zu setzen, sein Bemühen und kleine Fortschritte anerkennen und ihm helfen, sein Problem selbst zu verstehen und zu akzeptieren. Ferner braucht es Rückhalt und Ermutigung bei der Bewältigung von Misserfolgen.
Außerdem sollten Sie sich aktiv um eine gute Zusammenarbeit mit der Lehrkraft und ggf. der/dem Legasthenietherapeuten/in bemühen. Bei aller spezifischen Förderung wird es darauf ankommen, dass Ihr Kind insgesamt den Mut zum schulischen Lernen und die Freude an der Schule nicht verliert.
In diesem Zusammenhang ist besonders wichtig, dass Sie ein Gleichgewicht zwischen schulischen Belangen und den anderen wichtigen Erlebnis- und Erfahrungsbereichen Ihres Kindes finden und sich immer wieder klar machen, dass Schulleistungen für die Lebensbewältigung und Zufriedenheit Ihres Kindes nicht allein ausschlaggebend sind. Die damit gewonnene Entlastung ist für Sie und Ihr Kind erfahrungsgemäß ein wesentlicher Teil der Problembewältigung. Dies bedeutet auch, dass Sie für Ihr Kind möglichst viele Bereiche schaffen, in dem es sich wohlfühlt, Fähigkeiten zeigen und Selbstvertrauen entwickeln kann. Wünschenswert sind Tätigkeiten und Hobbies, bei denen Ihr Kind ohne Leistungsdruck Erfolge erzielen kann und die Erfahrung macht, dass es gebraucht und geachtet wird.
Bei den Hausaufgaben gilt es, ein akzeptables Maß zu finden. Wegen der zu überwindenden Unlust und den Rechtschreibproblemen kosten die schriftlichen Hausaufgaben oft mehr Zeit als für Sie und Ihr Kind verkraftbar ist. Neben einer Aufteilung in Portionen und Abwechslung mit nichtschriftlichen Arbeiten ist es in vielen Fällen sinnvoll, nach Rücksprache mit den Lehrkräften eine Zeitbegrenzung für schriftliche Arbeiten festzulegen. Wegen der günstigeren Korrekturmöglichkeiten kommt insbesondere bei älteren Kindern eine Abfassung schriftlicher Arbeiten am Computer in Frage.
Innerhalb der Schule kann die Unterstützung Ihres Kindes im Wesentlichen durch Förderung, Entlastung und einen Nachteilsausgleich erfolgen.
Die Richtlinien des Legasthenie-Erlasses Niedersachsens beinhalten als entlastende Maßnahmen für die Jahrgangsstufen 3 und 4 eine Notenbefreiung sowie individuell zugeschnittene Lernkontrollen im Lesen und Rechtschreiben. In Klasse 5 und 6 muss benotet werden, bei der Beurteilung von Aufsätzen im Fach Deutsch und bei schriftlichen Arbeiten in den Sachfächern darf sich die Rechtschreibfehlerzahl jedoch nicht in den Zensuren niederschlagen. Bei sonst angemessener Gesamtleistung dürfen Schwierigkeiten im Rechtschreiben allein kein Grund sein, einen Schüler nicht zu versetzen oder ihn vom Besuch weiterführender Schulen auszuschließen.
Die Entscheidung über Fördermaßnahmen wird von der Klassenkonferenz in Abstimmung mit dem Schulleiter beschlossen und können eine besondere Unterstützung im Unterricht (sog. innere Differenzierung) sowie Teilnahme an einem Förderkurs beinhalten. Dies gilt auch für Kinder, die die Schule für Lernbehinderte besuchen. Maßnahmen des Nachteilsausgleichs sind im Erlass nicht ausdrücklich festgelegt, aber auch nicht ausgeschlossen. In Anwendung des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom Dezember 2003 empfehlen sich hier insbesondere die stärkere Gewichtung mündlicher Leistungen, die Ausweitung der Arbeitszeit z. B. bei Klassenarbeiten sowie die Bereitstellung von technischen und didaktischen Hilfsmitteln (z. B. PC’s, Diktiergeräten).
Als spezifischste Maßnahme empfiehlt sich die Einleitung einer Legasthenietherapie. Hierfür gibt es mittlerweile gut ausgearbeitete und überprüfte Konzepte, die gezielt dort ansetzen, wo beim jeweiligen Kind die Probleme liegen und ihm systematisch Erfolgserlebnisse ermöglichen. Daneben wird versucht, die psychologischen Lernvoraussetzungen zu verbessern und Ihnen als Eltern Unterstützung bei der Förderung Ihres Kindes anzubieten. Über das Jugendamt kann im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §35 a KJHG eine finanzielle Förderung beantragt werden. Hierfür wird von Ihnen und der Schule die Bearbeitung eines umfangreichen Fragebogens erwartet. Die erforderlichen Untersuchungen können durch einen speziell qualifizierten Facharzt/Psychologen durchgeführt werden, dessen Befunde/Stellungnahme einer eigens eingerichteten Fachstelle vorgelegt werden müssen. Alternativ können auch dort die notwendigen Untersuchungen durchgeführt werden, wenn Sie dies wünschen. Nach §14 SGB IX sind hierfür Bearbeitungsfristen von insgesamt 5 Wochen ohne bzw. 6 Wochen bei Einholung weiterer Gutachten gesetzlich festgelegt. Entscheidend für die Gewährung von Eingliederungshilfe ist im Übrigen nicht das Vorliegen der Legasthenie als solcher, sondern die Feststellung, dass die seelische Gesundheit des Kindes „mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist“. Hinweise darauf können (abzusehende) soziale Integrationsprobleme, aber auch eine ansonsten zu erwartende nicht begabungsgemäße Sonderschule einen Ausschlussgrund darstellt, finden sich im Gesetz nicht. Wichtig ist noch, dass die Therapien innerhalb von 6 Monaten nach Bewilligung beginnen müssen (ansonsten ist eine neue Antragstellung erforderlich) und aus Kostengründen möglichst von Beginn an, spätestens aber nach der 40. Stunde als Gruppentherapie durchgeführt werden sollen.